Categories
Chamber Music Vocal Work

Drei nautische Stillleben

for mezzo-soprano and piano (2021)

DE

Das siebenteilige Werk basiert auf vier eigenen kurzen Gedichten, die unter dem Titel »Drei nautische Stillleben und ein Frostgedicht« zu einem Zylus zusammengefasst wurden. Die Textgrundlage ist dabei selbst wie ein musikalisches, abstraktes Werk gebaut, dessen inhaltlicher Zusammenhang nicht primär durch das Erzählen einer durchlaufenden und klar nachvollzibarer Geschichte sich stützt, sondern vielmehr durch enge Beziehungen auf der Ebene des Materials gestiftet wird. Solche Materialverwandtschaften betreffen kraftvolle Bilder wie die Farbe Rot, die etwa als Farbe der Lava in den Raum geschleudert wird oder als Wein dem Berg der Nymphen entquillt. Das Quellen wiederum stellt ein weiteres solches Grundmaterial dar, es quillt der Wein, es quillt explizit auch die Höhle der Lurche, darüber hinaus tropft und nässt es überall: In den Zungen des Bergs, durch die Poren des Farns, im zerflossenen Sand, im Morast der Astern usf. Beziehungen sehen wir auch zwischen einzelnen Buchstabenclustern: stillt, quillt, Krill, klirrt, kristallin etc.

Ein weiteres wichtiges Motiv sind die vielen großen Kontraste, die natürlich auf der Ebene des Materials wieder eng miteinander zu einem eigentlich surrealen Amalgam verschmolzen werden. So zeichnet die vier Tableaux der Gegensatz zwischen magmatischer Hitze und klirrender Kälte, zwischen dem Trockenen – auch in Hinsicht auf den Klang der Worte und Silben zu verstehen wie etwa bei den beonders konsonantenlastigen Wörtern starrt, steif, klirrt, karg usf. – und dem Nassen – in Analogie dazu finden wir vokallastige Wörter wie Lehm, bleiern, loh usf.

All diese Beziehungen sind in erster Linie musikalischer Natur. Die Aussagen der Strophen bleiben mehrdeutig und stets interpretierbar wie ein Orakel, aus dessen Deutung man sich kleine Weisheiten verspricht. Eine eindeutige inhaltliche Klammer stellt jedoch die Figur der Nymphe dar, die quasi sinnbildlich sowohl den Fluss des Lebens entspringen lässt, wie auch das Versiegen einer Quelle verkörpert. In ihr vereinen sich Hoffnung und Zerstörung, Frühlung und Winter. Der Vulkan (als Nymphenberg) bildet als natürliches Phänomen eine Analogie zur Figur der Nymphe, deren Wesenszüge allzu menschlich anmuten. Ähnlich wie sie schafft er Leben und raubt es zugleich, ist im selben Momement gefährlich und unglaublich faszinierend. Dazu besteht er aus flüssiger Masse (Magma), die zur trockenen Masse (Erde) wird.

Im vorliegenden musikalischen Werk werden besonders diese beschriebenen Kontraste dargestellt: Das Karge trifft auf das üppig Quellende, das Ruhige schlägt um ins Eruptive. An vielen Stellen kommentiert die Musik den Text, so nimmt ein ausladendes Vorspiel schon das Sprudeln des Wassers im ersten Lied vorweg und lässt uns eintauchen in eine impressionistisch-grazile Wasserwelt. Ganz markant ist auch das Bild des mächtigen Pottwals im Klavierpart dargestellt, der quasi vulkangleich eine Luftfontäne durch eine rauhe See in den Himmel schießt. Ebenso plakativ ist der Zusammensturz des Vulkans nach seiner Eruption musikalisch umrissen: Die Entstehung der Caldera finden wir ab Seite 26 in der Partitur als großes, virtuoses Zusammenrasseln dargestellt.
Drei nautische Stillleben entstand zwischen Juni und Dezember 2021 für die Mezzosopranistin Klaudia Tandl.

INSTRUMENTATION:

mezzo-soprano and piano

Both players play also small percussion instruments:
3 singing bowls, 3 percussion frogs and one tam-tam (or gong or a bell plate)

DURATION: ca. 20 minutes

PERFORMANCE MATERIAL:
info@chrenhart.eu

PREMIERE:
April 17 2023, Musikverein (Vienna)

Categories
Electronic Solo Instrument Work

Chameleon

for one percussionist (2022)

DE

Alfred Brehm beschreibt in seinem berühmten »Thierleben« das Chamäleon als ein zumeist regungsloses Wesen: »Tagelang beschränkt sich ihre Bewegung darauf, sich bald auf dem Aste, welchen sie sich zum Ruheplatze erwählten, niederzudrücken und wieder zu erheben, und erst, wenn besondere Umstände eintreten, verändern sie nicht bloß ihre Stellung, sondern auch ihre Plätze. Das verschrieene Faulthier und jedes andere derjenigen Geschöpfe, welche auf Bäumen leben, bewegt sich mehr und öfter als sie, falls man absieht von Augen und Zunge; denn erstere sind in beständiger Tätigkeit, und letztere wird so oft, als sich Beute findet, hervorgeschnellt. Kein anderes Wirbelthier lauert ebenso beharrlich wie das Chamäleon auf seine Beute; es läßt sich in dieser Hinsicht nur mit den tiefststehenden, dem Felsen gleichsam angewachsenen wirbellosen Thieren vergleichen. Wer so glücklich gewesen ist, das keineswegs leicht zu entdeckende Geschöpf aufzufinden, sieht, wie beide Augen beständig und zwar ruckweise sich drehen und unabhängig von einander nach den verschiedensten Richtungen auslugen. Hat längeres Fasten die sehr rege Freßlust nicht angestachelt, so verweilt das Chamäleon in derselben Stellung, auch wenn es glücklich Kerbthiere gesehen hat, und wartet ruhig, bis sich in entsprechender Entfernung von ihm ein solches auf einem Zweige oder Blatte niederläßt. Sowie dies geschehen, richtet sich der Kopf dem Kerbthiere zu, beide Augen kehren sich mit ihren Spitzen nach vorn, der Mund öffnet sich langsam, die Zunge schießt hervor, leimt die Beute an und wird zurückgezogen; man bemerkt sodann eine rasche, kauende Bewegung der Kiefer, und das Thier erscheint wieder so regungslos wie zuvor. War es aber längere Zeit im Fange unglücklich, so verfolgt es wirklich ein erspähtes Kerbthier auf einige Meter weit, ohne jedoch den Busch, auf welchem es sich gerade befindet, zu verlassen.« (source)

Das vorliegende Stück verkörpert zwar kaum diese Art von Unbeweglichkeit eines starr im Geäst hockenden Tiers, wohl aber dessen innere Aufmerksamkeit, das ruckartige Muster seiner Blicke, die stetige Bereitschaft zur explosiven Geste sowie die Wandelbarkeit seiner Farben. Diese Fähigkeit, das eigene Erscheinungsbild zu verfärben war die eigentliche Ausgangsidee meiner Komposition für eine:n Schlagwerker:in. Mehrere sehr konträre instrumentale Farben werden vermischt und lösen einander ab. Dabei ist der Rahmen ein recht überschaubarer: Den metallenen Idiophonen steht das Xylophon mit seinem sehr kurzen Nachklang als ›trockener‹ Klangraum gegenüber. Dazu kommt noch eine breite Palatte an gesampelten Klängen aus dem elektronischen Part. Die Elektronik macht auch Brehms’ Text fragmentarisch sichtbar und beleuchtet das klangliche Geschehen in durchaus ironisch zu verstehender Weise.

Während die ersten beiden Sätze sich mit den irdischen Eigenschaften eines Chamäleons auseinandersetzen folgt im letzten Satz ein Blick auf den südlichen Nachthimmel. Auch das Sternbild Chamäleon zeichnet eine scheinbare Statik, die Sterne verharren regungslos am Himmel und strahlen schwach leuchtend über der Nacht. Diese Stimmung wird hier als dramaturgischer Gegensatz zu den vorigen Teilen eingefangen – ein nächtlicher Abgesang, ein musikalischer Augenblick durchs Fernrohr.

INSTRUMENTATION:
percussion (one player)

  • 5 singing bowls (tuned in F#3, F4, Eb5, E6, D7)
  • saturn gong (or other gong tuned in D3)
  • glockenspiel (range from F6 to C8)
  • xylophone (range from C5 to C8)
  • typophone (computer, browser & two speakers)

DURATION: 9 minutes

PERFORMANCE MATERIAL:
info@chrenhart.eu

PREMIERE:
To be announced.

Categories
Chamber Music Work

Karte der Ornamente und Arabesken

for flute, oboe, clarinet, bassoon, horn and percussion (2022)

DE

Die Karte der Ornamente und Arabesken ist eine Art auf den Kopf gestellte Barocksuite. Die einzelnen Sätze stilisieren anstelle der Rhythmik eines alten Tanzes jeweils eine gewisse Manier von Verzierungen. Im ersten Satz stehen Trillerfiguren im Zentrum, im nächsten die Idee des Mordent und in einem weiteren das Arpeggieren von Akkorden. Ganz wie im barocken Vorbild unterscheiden sich alle Sätze in ihren Charakteren stark voneinander. Den Sätzen zwischengestellt sind drei virtuose Kadenzen. Im Gegensatz zur traditionellen Suite erscheint hier das ausladende Präludium als Schlusssatz – als Postludium. Darüber hinaus wird auch auf einen weiteren Wesenszug barocker Suitensätze Bezug genommen: Alle Ornament-Tänze thematisieren die Ripresa, also die Wiederaufnahme einer kompositorischen Idee.
Grundlage dieser Fassung für Bläserquintett und Schlagwerk ist die gleichnamige Version Stücks für Flöte, Harfe und Cembalo, die im Jänner und Feber 2022 für das Ensemble »airborne extended« entstand.

EN

Karte der Ornamente und Arabesken is a kind of topsy-turvy Baroque suite. The individual movements stylise a certain manner of ornamentation in the place of the rhythms of ancient dances. In the first movement trills are at the centre, in the next movement the idea of the mordent is being focussed on and in a further movemet the arpeggio of chords. Much like the Baroque model all movements vary widely in their characters. Interposed between the movements are three virtuous cadenzas. In contrast to the traditional suite the sweeping prelude appears here as the final movement – as a postlude. Moreover, another trait of a typical Baroque suite’s movement is being referenced: All ornament-dances broach the issue of the Ripresa, the restatement of a compositional idea.
This version is based on the version of the same piece with the same name for flute, harp and cembalo which was composed in January and February 2022 for the ensemble airborne extended.

INSTRUMENTATION:

wind quintet:

  • flute (also bass flute)
  • oboe (also English horn)
  • clarinett in Bb (also bass clarinet)
  • bassoon
  • horn in F

percussion (one player):

  • glockenspiel
  • vibraphone
  • marimbaphone
  • one large gong (if possible tuned to Db)
  • suspended cymbal
  • bass drum or low timpan

DURATION: 7 minutes

PERFORMANCE MATERIAL:
info@chrenhart.eu

PREMIERE:
This piece has not been played yet.