drei splitter des nordlichts for symphonic orchestra (2016)
Das dreisätzige Werk für Orchester entwucherte wie riesige Farnblätter den Knollen meines Klavierzyklus »Aurora«. In einer utopischen Landschaft Klang gewordener Lichtfiguren atmet die Flora den Regen aus pastellenen Blau- und Grüntönen und lässt den Schwall aus Tropfen durch die Register des Urwalds hallen. Wir hören darin die Poesie der Regenfarben, die sich über das Blattwerk bis hinein ins dürre Geäst ergießt und das Rauschen des zerflossenen Nordlichts. Verzaubert von den Stimmen der Urgewächse kommen wir auf der Straße nach Ostia an den Rand des unendlichen Meeres.
INSTRUMENTATION: 2-2-2-2–2-2-0-0–timp–8-6-4-2-1
PERCUSSION INSTRUMENTS: timpani
DURATION: 9 minutes
PERFORMANCE MATERIAL: contact info@chrenhart.eu
PREMIERE: April 22, 2017 • Weimar, Schießhaus • Jenaer Philharmonie • Markus L. Frank
Farben des Mohns for mezzo-soprano and ensemble (2014)
The five songs for mezzo-soprano and ensemble were composed in 2014. Fragments taken from Jakob Reichsöllner’s poem Fieberträume — «deliriums» — form the textual basis of the songs. This piece is the orchestrated version of my work “Farben des Mohns” for mezzo-soprano and piano, composed previously in 2014.
Erythraean Fields for mezzo-soprano and ensemble (2014)
The five songs for mezzo-soprano and ensemble were composed in 2014. Fragments taken from Jakob Reichsöllner’s poem Fieberträume — «deliriums» — form the textual basis of the songs. Erythraean Fields is an orchestrated version of my work Farben des Mohns for mezzo-soprano and piano, composed previously in 2014.
It was freely transformed for a broader orchestration, including the traditional Chinese instruments Sheng, Pipa and Erhu. I attempted not to make the ensemble sound particularly Chinese, but to aim at finding new shades of orchestral colours within my very own music.
The work was commissioned by Mrs. Ailin Huang and the association “Internationale Musikbrücke”.
Jeux de lumière for violoncello (2015, revised 2017)
EN
Jeux de lumière — a moving picture in two parts for violoncello with crossfade-interlude — was composed in 2015 and was revised in 2017.
A basic idea for this piece was to visualise the things heard while performing the work and to create a kind of theatrical tension out of this simultaneity. The music should be made become alive cinematographically, bringing together all aspects of a film in the person of the cellist. A solo piece where the soloist acts as direcotor, cutter, actor/actress and film music concurrently. Abstract cinema, the story of which is merely a musical plot, which stays narrative yet in its dramaturgy.
The piece consists of two large parts, which are linked by a cross-fade interlude (like a dissolve in a film that links two scenes). A tenderly fragile beginning is succeeded by violent eruptions, which lead the music more and more towards a sinister mesh of gestures lights and shadows. Accentuated with percussive sounds the forst act is being kept in suspense.
A short transition music cools down the storyline—for a short time the shadows are brought to the foreground as protagonists—while the poetry of the second act announces itself. In this second part, the figures from the first part reappear only eventually, however—as though they were completely blinded—they cannot assume control over the musical proceedings once again.
DE
Jeux de lumière – ein Lichtspiel in zwei Akten für Violoncello mit Überblendungsmusik – ist ein 2015 auf Anregung der Österreichischen Gesellschaft für zeitgenössische Musik entstandenes Werk für Violoncello.
Eine diesem Stück zu Grunde liegende Idee war, das gehörte Geschehen synchron in visueller Form auf die Bühne zu bringen und aus dieser Gleichzeitigkeit heraus eine theatralische Spannung zu erzeugen. Die Musik sollte kinematographisch erlebbar werden, wobei sich alle Elemente des Films in der Person des/der CellistIn vereinen. Ein Solostück, bei dem der/die InterpretIn zugleich Regisseur, Cutter, Schauspieler und Filmmusik ist. Abstraktes Kino, dessen Story nichts als musikalische Handlung ist, welche in ihrer Dramaturgie jedoch erzählerisch bleibt.
Das Stück besteht aus zwei großen Teilen, die durch eine Überblendungsmusik miteinander verbunden sind. Einem zart-brüchigen Beginn folgen brachiale Ausbrüche, die die Musik immer mehr in ein sinistres Geflecht aus Schatten und huschenden Gesten kippen lassen. Mit perkussiven Klängen untermalt endet der erste Akt im Ungewissen.
Eine kurze Verwandlungsmusik kühlt das Geschehen ab, die Schatten rücken für kurze Zeit als Hauptdarsteller in den Vordergrund, während sich bereits die Lyrik des zweiten Akts ankündigt. In diesem zweiten Teil kommen erst langsam Elemente und Figuren des vergangenen Geschehens fragmentarisch wieder zurück, die aber — komplett verblendet — nicht mehr das musikalische Zepter übernehmen können.
Der Aufführungsort soll möglichst dunkel sein. Bestenfalls stellen eine kleine Lampe am Notenpult und eine weitere Leuchte, die der/die CellistIn vor sich am Boden platziert, die einzigen beiden Lichtquellen im Raum dar. Die Lampe vor dem/der SpielerIn soll so positioniert sein, dass seine/ihre Bewegungen — insbesondere jene der Bogenhand bzw. des Bogens — als diffuse Schatten an die Wand der Bühne projiziert werden. Es ist dabei ratsam, dass der/die SpielerIn leicht seitlich zum Publikum gewandt sitzt.
INSTRUMENTATION: violoncello
DURATION: 11 minutes
PERFORMANCE MATERIAL: info@chrenhart.eu
PREMIERE: November 12, 2015 • Vienna, Ruprechtskirche • Wolfgang Panhofer, violoncello
PERFORMANCES:
November 29, 2015 • Graz, Palais Meran • Wolfgang Panhofer, violoncello
October 21, 2021 • Tokyo, Tokyo Concert Lab • Kei Yamazawa, violoncello
December 7, 2021 • Leipzig, Grieg Gedenkstätte • Hugo Paiva, violoncello
October 16, 2022 • Regensburg, Theater Regensburg • Tomasz Skweres, violoncello
October 28, 2022 • Vienna, Alte Schmiede • Tomasz Skweres, violoncello
June 2, 2023 • Vienna, echoraum • Tomasz Skweres, violoncello
Aus einer pastellzarten Harmonie sich mischender Gouache-Farben entspringt ein farbiger Fluss, der Steine umspült, Katerakte formt, sich durch klamme Schluchten furcht und der an seinen Gestaden immer wieder kleine Inseln und Sandbänke schafft, die als solistische Momente dem Geschehen entwachsen. Las Islas Aguadas ist dezidiert ein Klavierkonzert. Eine Solistin steigt in den Ring gegen ein solistisch agierendes Kollektiv aus 15 EnsemblemusikerInnen. Während beide Gegenspieler sich im unnachgiebigen Schaukampf um die Vorherrschaft in der Virtuosität nichts schenken, bleibt das Zepter der Zeit dort fest in den Händen der Pianistin, wo der brandende Fluss zur Ruhe kommt: Auf den verwässerten Inseln.
di tale porpora for symphonic orchestra (2013 / 2015)
Dunkle Farben der Nacht tauchen eine verlassene Kulisse in fahles Licht. Im Hauch der Kälte irren wir am schmalen Grat zwischen Finsternis und Abgrund entlang. Immer wieder überkommt uns ein Schauder, dessen sinistre Schönheit wir neugierig atmen. Vom entfernten Flimmern eines tonlosen Films ahnen wir das Bild seiner Klänge: Die imaginäre Filmmusik löst sich im Klang der Mitternachtsglocke auf und hallt — bereits völlig verklärt — heftig nach. ‹di tale porpora› entwuchs meinem Klavierstück ‹Mondviolen›, das in diesem Werk frei erweitert und symphonisch verformt wurde.Das 2013/2015 entstandene Orchesterwerk kam am 26. August 2015 beim Grafenegg Festival zur Uraufführung. Mit dem Workshop «INK STILL WET» wurde in Grafenegg eine einzigartige wie herausragende Möglichkeit ins Leben gerufen, das symphonische Schaffen junger Komponistinnen und Komponisten gemeinsam mit dem exzellenten Tonkünstler Orchester zu erforschen und im Rahmen eines Abschlusskonzerts, das als Abonnementkonzert der Reihe Composer in Residence Teil des internationalen Orchesterfestivals Grafenegg ist, zu präsentieren. Den Komponisten wird dabei die Möglichkeit geboten, ihre Werke selbst zu dirigieren und gemeinsam mit einem professionellen Klangkörper sowie einem international renommierten Komponisten und Dirigenten (2015: Matthias Pintscher) zu erarbeiten. Alle Phasen des Workshops sind öffentlich — dem/der Interessierten bietet sich die singuläre und höchst spannende Möglichkeit, der Entfaltung eines neuen symphonischen Werks hautnah beizuwohnen.
« FOUR » an arrangement of Chopin’s Étude Op. 10/4 (2015)
Chopins Klavieretüden sind die erste große Landmarke pianistischer Prahlerei. Sie sind ein früher Inbegriff dessen, was man unter dem künstlerisch nichtssagenden Étikett Fingerfertigkeit gerne subsummiert. Die zwei Dutzend Klavierstücke gelten als Gradmesser klaviaturhandwerklichen Zurschaustellens; als akademische Eintritts- und Austrittshürde, die stets souverän zu überspringen ist. Sie sind zur Figur verkommen, mag man glauben, ein Stück Eiskunstlaufen für untalentierte, aber fleißig Klavier übende Eiskunstläufer. Wer fragt heute noch nach Ligeti (oder Panisello)?
Chopins Études sind ein musikalisch gewichtiger Meilenstein. Ein Experiment über das Mögliche und das gerade-noch-Mögliche. Eine kompositorisch äußerst gelungene Gratwanderung, die keine klanglichen Kühnheiten scheut. Diese auf engsten — 88 Tasten und zehn Finger breiten — Raum komprimierte Musik ist in ihren theatralischen und in ihrern lyrischen Absichten jedoch kompromisslos. Sie ist durch und durch orchestral, ihr etüdenhafte Kern ist die Abstraktion: Das große Ganze einer musikalischen Welt mit pianistischem Geschick in die beiden Hände eines einzigen Interpreten zu legen.
Was lässt sich in dieser Musik noch entdecken? Welche ungewohnten Züge prägen sie? Es war an der Zeit, eine Neuinterpretation zu versuchen, ohne die Abgedroschenheit der Stücke noch weiter anzutasten. Das Ergebnis, das am 20. Juni im MUMUTH zu hören war ist eine eigenwillige Bearbeitung der Etüde op. 10/4 für ein kleines Ensemble. Wenn — in durchaus ironischer Manier — uns dabei Unvorhergesehenes begegnet, ist es nichts als ein Zeichen dafür, dass diese Musik auch knapp 200 Jahre nach ihrer Erfindung immer noch nicht tot zu kriegen ist.
Ausgangspunkt meiner Bearbeitung ist die faszinierende Theatralik, die Chopins Klavierwerk innewohnt. Die Bearbeitung selbst stellt eine Etüde für sich in Hinblick auf die Instrumentation dar. Mit möglichst wenigen Instrumenten wird die orchestrale Dimension in Chopins‘ Klavieretüde Op. 10/4 beleuchtet und dabei das Klavier — bis zum Schluss — außen vor gelassen.
al di là della tinta «jenseits der Farbe» liegt das Übermalte brach – das verdrängte Alte, jener längst aus einer Mode gekommene neueste Schrei – welchem man mit den Tinkturen der eigenen Zeit neuen Anstrich verlieh. In all seiner archaischen Schönheit schimmert es durch, wo der Verputz bröckelt und Fenster auftut aus welchen der ins Fundament gemauerte vergangene Zeitgeist fahl hervorspukt.
Als fragile Näherung an Weberns III. Bagatelle aus dessen Opus 9 beleuchtet al di là della tinta einzelne musikalische Momente in Weberns Quartettsatz: Gesten innersten Aufschreis, die Unruhe des Pendels, das «Verlöschen». Die Komposition, als pastellfarbene Schicht aufs Papier erflossen, mimt hierdurch die Interpretation ihrer Malgrundlage zugleich und ist doch grundverschieden.
Mit dem Floß der Zeit umquerten wir den zur See erstarrten Fluss aus Erinnerungen, einem steten Finden gleich entlang des Quellenpfads. Aus dem Röhricht des Ufers ragten längst versiegte Figuren auf, denen im Verklingen wir wortlos durch die Kulissen vergilbter Felder nachhörten. Wir konnten ihre schattengleich bewegten Konturen im Dunst der nachtumschlungenen Dämmerung nur vermeinen. Aus iberischen Fernen zog ein wolkenklarer Himmel sternenfunkelnd auf. Dreizehn tiefe Glocken sprengten aller Geister Ketten, die in feurigen Schluchten einen Reigen tanzender Nymphen umkreisten.
Im letzten Blick breitete sich Graz schlafend unter dem Schloßberg aus. Fledermäuse umschwirrten den Uhrturm. Wir lauschten dem steten Fließen der Stadt und vernahmen die verhallenden Schritte, die von unten auf dem Platz her drangen. – ChR, C’18
Das Violinkonzert »la Naïade« entwuchs meinem Werk »tarir une Naïade« für Violine und Klavier, welches ich 2012–2013 für Karin und Doris Adam komponierte, die es im Jahr darauf in Kottingbrunn zur Uraufführung brachten.
Farben des Mohns for mezzo-soprano and piano (2014)
Farben des Mohns entstand im Frühjahr 2014 nach fünf Gedichten von Jakob Reichsöllner. Ich erbat mir eine Art Lyrik, die ich motivisch verarbeiten, fragmentieren und die ich als musikalisches Material zusammen mit dem Klanguniversum des Klaviers zu einem neuen, eigenständigen Werk verspinnen konnte. Klänge und Text sollten kammermusikalisch miteinander verschmelzen. Die Poesie aus der semantischen Bedeutung einzelner sprachlicher Momente sollte, in Musik gegossen, aus den Klängen heraus sprechen. Das entstandene musikalische Werk ist gleichsam eine Interpretation der Gedichte, die darin einige Aspekte zutiefst emotional durchleuchtet und diese um eine akustische Perspektive erweitert.
Das Klavierlied hat einen langen Weg hinter sich gelassen und tiefe Spurrillen in das Pflaster der Tradition gefurcht. Begegnen wir ihm heute, indem wir diesen Wagen ziehen lassen, seine Lenker werden neues Terrain erschließen, auf ihrer Reise neue Klangkulissen entdecken und die Art und Weise des Transportmittels beständig weiterentwickeln. Was von einstens geblieben ist, ist die Idee, zwei MusikerInnen — ein Sänger und ein Pianist — gemeinsam künstlerisch interagieren zu lassen.
Insofern sehe ich in meinem Werk vielmehr die kammermusikalische Begegnung als Grundgedanke verwurzelt als die Patina eines herbeizitierten Geistes, der freilich nie mehr wiederkehrt. Diese Begegnung erfährt eine Erweiterung ihrer rein klanglichen Dimension durch ein fragil-szenisches Konzept, welches sich jedoch in einer kammermusikalischen Konzertsituation sehr gut realisieren lässt.
Der theatralische Aspekt des Werks wird durch die Einbeziehung und Beeinflussung des Raumlichtes einerseits sowie durch szenische Andeutungen der Sängerin — die in der Partitur vorskizziert sind — andererseits etabliert. Darüber hinaus trägt der/die PianistIn durch ein gestenreiches Spiel — insbesondere die Einbeziehung des Innenraums des Instruments unterstützt die Musik auch betont pantomimisch — zum theatralisch-expressiven Charakter des Werkes maßgeblich bei.
Mein Ziel war, dass die SpielerInnen die Musik und ihren semantischen Inhalt im besten Sinne des Wortes verkörpern: Emotional, ausdrucksstark, gestenreich und in all der dazu notwendigen Gestaltungsfreiheit. Dazu muss die Musik in ihren Klängen und in ihrer Notationsform Freiräume schaffen, nicht alles restlos festlegen und doch dramaturgisch stringent durch die Kulissen getürmter Klangpyramiden zu führen vermögen.
Hören wir also in Farben des Mohns die Stille des Rauschens, den obskuren Schein der Nacht und atmen wir neugierig die Schatten, die vom jenseitigen Ufer her hallen. Begleiten wir die Figuren, die am Grat der Welten wandeln, erfüllt von der Leere aus Leben und Tod. Lassen wir uns verführen von den »giftzartummäntelten« Gewächsen eines verwünschten Gartens und trotzen wir den Glocken, die fortwährend unser Schicksal einläuten. — Christoph Renhart, Oktober 2015
INSTRUMENTATION: mezzo-soprano, piano
DURATION: 13 minutes
PERFORMANCE MATERIAL: info@chrenhart.eu
PREMIERE: October 22, 2015 • Maria Saal, Dom zu Maria Saal • Johanna von der Deken, mezzo-soprano • Gaiva Bandzinaite, piano
PERFORMANCES:
November 10, 2015 • Graz, Palais Meran • Klaudia Tandl, mezzo-soprano • Christoph Renhart, piano
November 13, 2015 • Graz, Steiermarkhof • Klaudia Tandl, mezzo-soprano • Christoph Renhart, piano
March 2, 2016 • Graz, Palais Meran • Klaudia Tandl, mezzo-soprano • Christoph Renhart, piano
March 8, 2016 • Salzburg, Mozarteum • Klaudia Tandl, mezzo-soprano • Christoph Renhart, piano
November 24, 2016 • Weiz, Europasaal • Klaudia Tandl, mezzo-soprano • Christoph Renhart, piano
September 3, 2016 • Radio Rai Südtirol, Querschnitte • Klaudia Tandl, mezzo-soprano • Christoph Renhart, piano
January 21, 2017 • Graz, Palais Meran • Klaudia Tandl, mezzo-soprano • Wolfgang Riegler-Sontacchi, piano
January 22, 2018 • Radio Ö1, Zeit-Ton • Klaudia Tandl, mezzo-soprano • Christoph Renhart, piano
January 28, 2018 • Radio Steiermark, Kultur spezial • Klaudia Tandl, mezzo-soprano • Christoph Renhart, piano