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Interview

Berufsbilder: Komponist

erschienen online auf dem Internetportal des Career Service Centers der Kuntuniversität Graz
csc-kug.at

WAS MACHT MAN ALS KOMPONIST*IN?

Als Komponist konzipiere ich musikalische Werke und lege mehr oder weniger konkret einen Plan fest, wie solche Werke umgesetzt werden können bzw. sollen. Ich fixiere meine kompositorischen Ideen in klassischer Weise in Form einer Partitur schriftlich, gelegentlich auch in Form von Quellcode.  Denkbar ist aber auch, dass ein*e Komponist*in seine oder ihre Werke auf Tonträger einspielt oder sonstwie fixiert.
Wie viele andere Komponist*innen spiele ich meine eigene Musik (als Pianist). Einige meiner Werke habe ich auch selbst dirigiert und aufgenommen.
Da man als Komponist*in in Österreich im Allgemeinen nicht von Kompositionsaufträgen im Bereich der Neuen Musik leben kann – die wenigsten Komponist*innen erhalten gut oder überhaupt bezahlte Aufträge bzw. können ausreichend hohe Kompositionsförderungen lukrieren – geht man als Komponist*in meistens einer anderen zeitintensiven Tätigkeit neben der eigentlichen künstlerischen Arbeit nach, um sein*ihr Einkommen zu erwirtschaften, sei es durch Unterrichten, Dirigieren/Musizieren oder Jobs im Bereich Kulturmanagement etc.
Ich unterrichte – mit großer Freude – an der KUG musiktheoretische Fächer und kuratiere die Konzertreihe für Neue Musik im KULTUM. Darüber hinaus engagiere ich mich ehrenamtlich in Vereinen wie der ÖGZM.

WIE WIRD MAN KOMPONIST*IN?

Die einfache Antwort lautet: Indem man Werke komponiert. Man muss ja nicht bei der Wirtschaftskammer vorstellig werden oder einem Orchester irgendwelche Zeugnisse vorlegen, bevor ein eigenes Werk aufgeführt werden darf. Meistens ist man selbst sein*e erste*r Interpret*in, insofern würde ich meinen, ein Instrument zumindest mittelmäßig zu können ist so etwas wie eine Startrampe. Die etwas längere Antwort ist: Es gilt Werke, Handwerk, Umfeld, Gesellschaft, Geschichte, Traditionen, Spieltechniken, technische Entwicklungen etc. etc. genau und mit größter Neugier zu durchdringen (id est: zu studieren), um zu so etwas wie einer eigenen musikalischen Grammatik kompositorischer Ideen zu gelangen (id est: einen unverwechselbaren Stil zu schaffen). Dazu kommt, dass man sein Metier genau kennen lernen muss, sich Netzwerke aufbauen und auch wirtschaftlich denken soll, um dieser künstlerischen Tätigkeit langfristig erfolgreich nachgehen zu können.

WELCHE FÄHIGKEITEN BRAUCHT MAN DAFÜR?

Ich glaube, es ist eine recht eigenartige Mischung aus Biegsamkeit und Sturheit: Die Freude am Lernen und daran, die eigenen Ideen fortwährend kritisch zu überdenken ist genauso wichtig wie das Beharren auf eigenen Ideen, wenn man sich absolut sicher ist, dass sie gut sind, selbst wenn sie rundum auf Ablehnung stoßen. Die Akademie hat sich oft geirrt, das zeigt die Musikgeschichte, aber irrig wäre es auch, die alten Meister nicht zu hören. Darüber hinaus das Übliche: Eine sehr gute musikalische Vorstellungskraft, ein Gespür für Dramaturgie, eine hohe Sensibilität für ästhetische Fragen, Neugierde (ganz viel davon), und einen guten Schuss Größenwahn gepaart mit dem festen Glauben daran, dass man ein Amazonasschiff über einen Berg ziehen kann (das ist längst erwiesen).

WARUM HABEN SIE SICH ENTSCHIEDEN, KOMPONIST*IN ZU WERDEN?

Ich liebe es, Dinge entstehen zu lassen und nach meinen Vorstellungen zu gestalten. Egal, was. Ich programmiere auch gerne. Komponist bin ich letztlich geworden, weil ich über das Klavier zur Musik fand und ich mich als Interpret im Bereich der Neuen Musik immer schon pudelwohl fühlte.

WAS MACHT IHNEN DABEI AM MEISTEN SPASS?

Mein liebster Teilbereich beim Komponieren ist, so denke ich, das Instrumentieren. Beim Instrumentieren hat man eine stets angenehme Mischung aus Anstrengung und Weiterkommen. Beim Erfinden gänzlich neuer Abschnitte von Werken hingegen kommt man gerne einmal ins Stocken oder verwirft am Ende eines mühsamen Nachmittags wieder alles, was man bis dahin aufs Papier brachte. Das kann frustrierend sein, ist aber unvermeidlich, wenn einem die Qualität nicht “wurscht” ist. Instrumentieren ist viel dankbarer: Einen 16-stimmigen mikrotonalen Akkord für ein Orchester zu setzen ist auch anstrengend, aber man findet viel selbstverständlicher in irgendeine Lösung hinein. Gleichzeitig kann man dabei auch sehr künstlerisch vorgehen und sich Neues einfallen lassen.

WAS SIND DIE GRÖSSTEN HERAUSFORDERUNGEN?

Einerseits ist eine sehr große Herausforderung, genügend Zeit zum Schreiben zu haben. Gerade, wenn ich neues Material entwerfe, brauche ich einen freien Kopf und viel Ruhe. Mahler etwa komponierte in den Sommerferien einen Gutteil seiner Symphonien und instrumentierte sie über die restlichen Monate, wenn er Geld verdienen (id est: dirigieren) musste.

Eine andere sehr große Herausforderung ist, Aufführungen an Land zu ziehen. Man kann als Komponist kein abgekapseltes Leben führen, wie man sich das vielleicht gerne verklärend ausmahlern möchte (à la Komponierhäuschen am Wörthersee – heute völlig unerschwinglich). Vielmehr ist man anfangs zumindest Künstler*in, Vertriebsleiter*in, Marketingchef*in, Inkassobüro (wer zahlt schon freiwillig gerne Materialgebühren), Interpret*in, Konzertorganisator*in etc. alles in einer Person.

WELCHEN TIPP HABEN SIE FÜR ANGEHENDE KOMPONIST*INNEN?

Drei Tipps, alle gleich wichtig: Schlagt euch diesen Gedanken aus dem Kopf. Wenn das nicht geht, legt wenigstens Musik vor, die man neben Brahms und Mozart spielen kann. Und hört nicht auf mich, ich bin kein Guru.

Link: Berufsbilder – KUG Career Service Center

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la petite girafe Miscellaneous

La photo: La maladie

Oh no! Is it sick?
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Miscellaneous News

Becoming an UE composer

I’m very pleased to announce that henceforth works of mine are being published by Universal Edition. It’s a great honour to have become a part of the word’s best music publishing house’s edition. Please feel free to dive into the UE catalogue. Thus far, you can find my works for orchestra/ensemble «L’isola morta», «Catalogue des Arts et Métiers», «Échos éloquents», «Marley’s Ghost», the string quartet «Epitaph for Ovid Naso» and the first book of the album «XXI Oracles Of The Night» for piano there.

Works of Christoph Renhart on Universal Edition

As it is essential for every composer that his or her music is available world-wide, it is a privilege to have a strong partner who takes care of production, distribution, licensing, and invoicing (1). Many of the best composers of the 20th and 21st century—Pierr Boulez, Friedrich Cerha or György Kurtág amongst them—have entrusted their music to UE. The publisher’s quality standards are known to be high in all regards. Even as a young pianist, before I have thought about becoming a professional composer, I did appreciate the perfect graphics and layouts of UE scores. When it gets down to contemporary music, UE scores stand out here even more noticably. Being a perfectionist myself, I’ll do my very best to contribute to this great Viennese tradition, musically and graphically.

Into 21st-century music publishing: scodo

Over the recent years and especially due to digitalisation, the way how new compositions are delivered to the musicians has changed significantly. More and more ensembles do not use printed scores and parts any longer and play everything from a tablet. Other musicians have tried out digital scores but still prefer the paper editions for various reasons. What really matters today is flexibility. Along the lines of responsive web design, sheet music has to be responsive in some ways as well (perhaps, we’ll see some really, i.e. technically responsive scores in the near future written in musicXML or something similar, that’s yet to come). Now, one of the reasons I contracted with Universal Edition is that they really care about the future and they find good answers to today’s challenges. One such an answer is a new publishing tool for composers called scodo.

Have a look at UE’s new publishing tool scodo.

scodo is designed for composers to upload their works and publish them directly. Composers retain the copyright of their works whereas Universal Edition obtains the exclusive distribution rights. A very nice feature of scodo is also the possibility of quickly updating a work. We all know how Ravel struggled to remove all the happy little accidents from his early editions (and indeed it took him a little longer than the late Bob Ross to create his pieces). So, this goes a little quicker with scodo. Found a missing p at the rehearsal or want to change a b natural in the oboe in bar 543 to a b flat? Just upload the latest version. It’s so useful for composers and this feature by itself will improve the quality of the performing materials of many scores remarkably.

It goes without saying that scores and materials can be ordered either in printed form or in a digital version via UE now (UE has won the ‘digital publishing award‘ for this tool recently). And—in high contrast to sending the performance materials to ensembles just by email—composers can get money for their works, while they remain distributable in a digital form. If you’re interested in publishing your scores via scodo or if you’d like to find out more concerning the business modell, visit the scodo page at UE’s website: universaledition.com/scodo

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A List Of Yellow Items

La petite girafe liste …
Yellow Items

  1. The Yellow Elephant from Prague. A clay figure dating back to at least 2014 when it was purchased in one of those many tiny shops overcrowded by international tourists you find at every corner in the Czech capital. In contrast to other cities, Prague offers loads of hand-crafted things at such places at vastly reasonable prices. I’m still in doubt whether or not this is really meant to be an elephant, but its most prominent features—the very big ears and a trunk—purport that we can consider it one.
  2. Adhesive Tape. There is not very much to say about that item. Everyone has one somewheres at home, however I try to avoid using it most of the time as taping something together proves to be the next best thing more often than not.
  3. A self-stick notepad. There are many ways they might turn out to be handy. Whenever I get down to extracting the parts from a score I really love them and eventually my desk would become a yellow or white and red carpet—all covered with sticky notes. Cut into thin slices they are also very useful for playing compositions on the piano that require some extended playing techniques which usually means to do something on a specific string of the instrument. Piano strings are not arranged in a standardized way. Thus it might turn out that the Gb1-string(s) are not at the very same place on a concert hall’s piano as on the piano you have at home; hence it is definitely a good idea to attach some (removable) indentations to be sure you hit the right tones and strings on an unfamiliar instrument. Slices of sticky notes attached to the dampers can do this job wonderfully for you.
  4. A yellow blackboard chalk. I love colours—in nearly any context. Explaining something on the blackboard, you can easily group some information that belongs together. I purchased my set of chalks in 2019 I think. Due to the pandemic it has not been used very often since then.
  5. Hermann Erpf’s Lehrbuch der Instrumentation. Honestly, did I really think I could retrieve some inspiriation concerning the way of how to orchestrate my own compositions from this very book? Perhaps some teachers will bring forward the argument that this book needs to be considered a standard reference. I read it. At least.
  6. Panther’s immunization card. Unfortunately no longer needed as our pet cat passed away in January )-;
  7. A yellow fluorescent marker. I’ve hardly ever used it, but it’s yellow, though.
  8. Some glue. Even the paste itself is yellow. After attaching it to paper, it would stick together really well. A bit frightening, isn’t it?
  9. The little giraffe. Well, that’s pretty obvious.
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The brush

La petite girafe et l’object:
The brush

Brushes and mallets are widely known as the objects which percussionists use in order to play on their instruments. Let’s consider a piano a percussion instrument. What can we do with a brush as pianists?

Obviously we might make use of it to scratch over the strings. Naturally playing on the instrument in such a way makes commonly more sense if we keep the right pedal down, but we should also take into consideration only scratching or striking the strings with the brush and leave the pedal in piece. I’ve tried out both ways while composing a new work for piano solo recently and, frankly, I was pretty disappointed. One might assume (I did!) that using a brush on the strings returns a somewhat spectacular and unusual sound, but it just didn’t. However, it’s quite nice to have the following effects: Gently tap over the treble strings and combine it with another playing technique inside the piano or some notes played on the keys. The resuly is quite silent and I would rather not use it in an orchestral work or in a piece for a large ensemble (needs to be amplified, considering the fact that such pieces are usually being staged in larger concert halls).

Another nice way to use it—and indeed this one is quite similar to the one described above—is to scratch over the section of the strings between the tuning screws and the bridge. Again this will produce only very fragile sounds. We might also consider to strike or scratch over the crossbeams with a brush. Again, the result is quite weak. Applying other mallets for that provides by far more options of creating and handling interesting thuds and noises.

Other possible playing techniques involving a brush which I haven’t tried out because they didn’t seem promising at all to me could be:

  • Scratching over the keys with the brush (consider playing Lachenmann’s Guero instead)
  • Using the handle of the brush (mind that not every brush handle is made of the same material)
  • Tapping the soundboard with the brush (again—consider using other mallets instead)
  • Scratching over the dampers (only do this if you hate your instrument)
  • Strike or scratch over the wooden parts of the piano (again, the result would be rather not interesting)
  • Applying the brush to the little giraffe (for obvious reasons)

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La photo: A Vitascope

The little giraffe is looking into a lense of an unfinished wooden vitascope.
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la petite girafe travaille a la domicile

La petite girafe travaille a la domicile. —
A story with the little giraffe

This is not going to end up as a new corona-blog. In the course of setting up my new homepage I figured out that the last story with the little giraffe dates back to 2019. What a desaster. I have made the most ambitious LPG-plans for 2020, but it all has come different. As we’ve finally headed back to working from home I’m getting overtaken by the feeling that this should be a somewhat familiar situation to a composers. Of course it is—and of course it isn’t.

Krzysztof Penderecki, the great Polish composer who passed away but a few months ago, was also known for sketching some of his compositional ideas on small tables in coffee houses, which has influenced his way of notating his music. Other than that, composers usually love to ponder over their ideas in peaceul seclusion. Silence helps us because it wouldn’t distort the sounds that we bear in our minds before we write them down, unless we consider that silence itself can be regarded as music. If I listened to the silence in a way I listen to music by John Cage, it would definitely distort my thoughs while composing a new piece. Nonetheless I daresay that I believe it is easier to think of a nice microtonally tuned harmonic progression when there’s less obvious noise around oneself than in a coffee house.

I’m definitely missing having a cup of coffee at the Baristas across from our university building or the unhurriedly homelike Kaiserfeld in Graz these days, though. Art is not only something meant to be shared with as many people as possible but art will also not become seen, if people do not come together. People come together in concert halls and people meet and talk about music and art at places such as the Kaiserfeld. Thus, even my work as a composer cannot be done entirely from home. The act of composing is done at home, whereas bringing a new work to the audience isn’t.

Well, as 2021 nears, let’s be optimistic. Here you are some thirteen giraffe-like plans for the coming year that cannot be done at home:

  1. Drink a cappuccino at Kaiserfeld’s.
  2. Go to see a film at the cinema and grumble about it afterwards.
  3. Argue Ferneyhough’s notation with other musicians—accompanied by a pint of Guinness in order to entirely understand what this is all about.
  4. Turn the pages for a pianist at a concert
  5. Go to a vernissage and ask the artist a silly question.
  6. Hand out flyers at various public places.
  7. Play on an old organ (not in concert).
  8. Play on a singing bowl (in concert).
  9. Visit the Funeral Museum Vienna.
  10. Try to sell a replica of Kircher’s Maltese Observatory on a flea market.
  11. Visit Italy.
  12. Go to the Kunsthaus in Graz and purchase a little friend for the little giraffe.
  13. Travel to Kapfenberg by train, see if they have finally rebuilt the station there and go back again (there’s nothing special about Kapfenberg).

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Interview

Portrait Christoph Renhart

erschienen in den »Mitteilungen« des Steirischen Tonkünstlerbunds Nr. 41, Graz, September 2020

Gerhard Präsent [Präsident des Steirischen Tonkünstlerbunds, Anm.]: Lieber Christoph, wie waren deine musikalischen Anfänge? Sind deine Eltern Musiker?

Christoph Renhart: Ich komme eindeutig aus einer Muggel-Dynastie. Die ersten musikalischen Meilensteine waren demnach einer inoffiziellen Tradition folgend: Plastikblockflöte, Holzblockflöte und viel später ein guter Flügel, wobei ich anmerken will, dass ich mittlerweile spieltechnisch wieder fallweise gerne zum Plastik zurückkomme, um beispielsweise mandolinartige Klänge mittels aus einer alten ÖBB-Vorteilscard zugeschnittenen Plektrums dem Innenraum des Klaviers zu entzaubern.

GP: … und wann – und wie – hat sich dein Interesse herauskristallisiert, eigene Musik zu schreiben?

ChR: Als Kind entwickelte ich eine gewisse Meisterschaft im Turmbau zu Babel fürs Wohnzimmer. Das Baumaterial war dabei nebensächlich, mir ging es allein um den nächsten Höhenrekord – etliche Messversuche brachten dabei das frisch errichtete Kunstwerk zum Einsturz – und zu meinem großen Glück hatte mir niemand nahegelegt, nach irgendeiner Anleitung zu bauen. Musik kann man meistens erst aufschreiben, wenn man bereits über instrumentale Fertigkeiten verfügt. Heute würde ich vielleicht am Raspberry Pi erste kompositorische Ideen zusammenschustern. Wie man dazu kommt ist letztlich egal und höchstens Grundstein eigener Legendenbildung: Wesentlich ist bzw. war auch für mich die Freude am Umsetzungsprozess eigener Ideen und irgendwann zu lernen, wie man es zielgerichtet angeht, sodass man seine Künste in einer Weise einsetzen kann, die andere Menschen in ähnlicher Weise bezaubert.

GP: Wer waren deine frühesten kompositorischen Vorbilder? (Nur in der Klassik, oder auch in anderen Bereichen?)

ChR: Die Vorbilder sind anfangs oft mit dem Instrumentalunterricht verwoben. Zu den Vorzügen des Klavierunterrichts bei Hildegard Frühwirth am Grazer Konservatorium gehörte, auch einiges über die Komposition zu lernen. Besonders beeindruckt war ich damals von Bachs Fugen, da man recht schnell und anschaulich versteht, wie vertrackt und kunstvoll so ein Musikstück zusammengeflickt ist, insbesondere, wenn es ein_e Lehrer_in versteht, an den richtigen Stellen darauf hinzuweisen. Zum anderen mochte ich Neue Musik insbesondere als Interpret seit immerschon. Musik etwa unseres verstorbenen Vereinsmitglieds Jenö Takacs zu spielen bedeutete mir auch mit der Freiheit des Höhlenforschers in mir bis dahin unbekannte Räume vorzudringen und einen ganzen Atlas weißer Flecken im eigenen Kunstkosmos neu zu kartographieren. Welch ein Geschenk und im Vergleich zur Speäologie komplett ungefährlich! Ich war und bleibe ein neugieriger Mensch. Menschen, die nicht neugierig genug sind, sollen ohnehin nicht Künstler_innen werden, da kommt nix raus.

GP: Du hast dann ein Studium IGP-Klavier (Instrumental- und Gesangspädagogik) an der KUG in Graz begonnen. War da bereits die Absicht vorhanden, auch Komposition zu studieren?

ChR: Komposition zu studieren wäre immer und insgeheim meine erste Wahl gewesen, allein, ich hatte keine Vorstellung, wie man sich der Sache professionell nähert und hatte es daher für mich ausgeschlossen. Das Fach Komposition fand an den steirischen Musikschulen quasi nicht statt. Inzwischen hat sich da wenig, aber doch etwas getan – ein paar engagierte Menschen treiben sehr lobenswerte Initiativen voran – wirklich verankert ist das Fach Komposition in den Musikschulen noch längst nicht. Schade eigentlich, denn niemand wird als armer Vasall geboren, der sich die Alten Meister als die Unerreichbarsten verklärt, indem er nicht mitbekommt, was um ihn herum soeben passiert und entsteht.

GP: Wie bist du dann zu Richard Dünser als Kompositionsprofessor gekommen? Hat dich seine Musik angesprochen – oder gab es (auch) andere Gründe?

ChR: Annamária Bodoky-Krause war in Sachen Musiktheorie äußerst bewandert. Ich erinnere mich mit einem gewissen Schmunzeln, wie sie in der Klavierklasse Stücke am Klavier analysierte, indem Sie beispielsweise Messiaen, Debussy oder Prokofjews 3. Klaviersonate vom Blatt spielte und dazu kommentierte, was gerade passiert: welche Modulation stattfindet, welche Skalen im Raum stehen, welche Akkorde aufeinander folgen, kurzum, was kompositorisch abgeht. Dass wir ihr dabei erstens folgen und zweitens es im selben Sinne ihr nachtun können wurde erwartet (-; Prof. Bodoky-Krause sprach stets davon, ein Stück »nachzukomponieren« wenn man es interpretieren wollte. Das tiefgehende kompositorische Verständnis ist demnach die unabdingbare Voraussetzung, um überhaupt erst eine akademisch tragbare Interpretation zustande zu bringen. Solche Gedanken verfingen bei mir viel schneller als Czernys Kunst der Fingerfertigkeit, was einer exzellenten Lehrerin natürlich nicht entgehen konnte. Also lautete im ersten Studienjahr eine Aufgabe: »Komponiere ein Stück und spiel es mir vor«. Gespielt wurde hinreichend schlecht, sodass ich es lieber Richard Dünser vorspielen sollte. So einfach ist das. Ich erinnere mich noch, dass ich es mindestens genauso miserabel heruntergeklimpert hab und er es wider Erwartens »einfallsreich« fand. Das war zugleich der Moment, als ich verstand, dass große Künstler_innen tatsächlich über die erstaunliche Fähigkeit verfügen zu abstrahieren: Die klare Vision zu haben, was herauskommen könnte.

Richards Musik hat mich mit der größten Selbstverständlichkeit fasziniert. Sie tut es nach wie vor und zu ihren großen Verzügen zählt die Tatsache, dass sie in einer Weise zeitlos gut ist, dass sich jegliche Versuche, sie in irgendwelche Moden einzuordnen einer gewissen Überflüssigkeit bemüßigen. Die größten Komponist_innen haben vollbracht, dass sie ihre Ideen unverwechselbar in Klängen manifestieren, sodass man auch nach kürzester Zeit des Gehörten darüber nicht irren kann, wem sie entflossen sind. Dass sich Stücke wie Richards »Entreacte« oder sein Doppelkonzert zur Untermauerung dieser These qualifizieren, halte ich für zweifelsfrei darlegbar.

GP: Wie war der Unterricht bei Richard Dünser? Mehr technisch – oder mehr ästethetisch?

ChR: In jeder Hinsicht motivierend. Im Prozess des Entstehens einer Komposition müssen verschiedenste Aspekte kritisch und mit der größtmöglichen Offenheit und Offenherzigkeit erörtert werden. Integraler Teil des Unterrichts war zudem auch die analytische und reflektierende Auseinandersetzung mit Werken von Staud über Henze, Franke, Ligeti, Burt, Schnittke etc. bis hin zu Berg und Schubert und damit verbunden der Besuch von Konzerten mit Stücken von zahlreichen Kolleg_innen. Dass meine Musik heute weder wie eine Stilkopie meines Lehrers klingt, noch sich auf verbohrte Weise allen Traditionen zu entschlagen sucht und zudem immer wieder internationale Anerkennung fand, spricht, wie ich meine, klar für die hohe Qualität des Kompositionsunterrichts bei Richard Dünser.

GP: … und weitere Lehrer bzw. Einflüsse?

ChR: Direkt beeinflusst hat mein kompositorisches Schaffen die Arbeit mit Christiana Perai im IGP Masterstudium, insbesondere im Rahmen des Studiums der Musik George Crumbs und der Werke der zweiten Wiener Schule. Selbstverständlich hat sich das mit dem Kompositionsstudium sinnvoll ergänzt bzw. habe ich mein Klavierstudium von Anfang an so angelegt, dass diese Inhalte im Vordergrund stehen sollten. Hier bietet das IGP Studium in Graz den Studierenden eine recht erstaunliche Freiheit an – die man freilich auch annehmen kann.

Wie wir wissen ist Graz ein Mekka der Neuen Musik, ein quasi idealer Ort, um dieses Metier zu erforschen. Von größter Bedeutung ist dabei die Vielfalt, die hier herrscht und die Selbstverständlichkeit, mit der man an der KUG diese Vielfalt nicht nur zulässt, sondern auch kultiviert. Dass einige der bedeutendsten Komponist_innen unserer Zeit hier wirk(t)en färbt natürlich ab und wertet unseren Standort immens auf. Wir sind weltweit vorne dabei und es liegt an meiner Generation, diesen Wissensvorsprung weiter auszubauen, weiterzuforschen und Stücke vorzulegen, die sonst fast nirgendwo entstehen können. Daran arbeiten wir. Es wäre schön, unsere hiesigen Symphonieorchester als Partner zu gewinnen. Glücklicherweise kann man inzwischen ja nach Wien fahren oder nach Klagenfurt, wenn man steirische Symphoniker hören will.

GP: Deine derzeitigen Vorbilder als Komponist – und warum diese?

ChR: Diese Antwort ist unfair all jenen gegenüber, an die ich augenblicklich gerade nicht denke, also: Colin Matthews für seine großartige, wenngleich nicht länger zeitgemäße (da Pluto vor ein paar Jahren zum Zwergplaneten degradiert wurde) symphonische Vervollständigung der Holst’schen Planeten unseres Sonnensystems. Claude Ledoux, den ich letztes Jahr in Belgien kennen gelernt habe für sein wunderbare buntes und virtuoses Klavierkonzert »A Butterfly’s Dream«, das ganz in der großen französischen Tradition steht. Und Thomas Larcher, der völlig zu Recht für Werke wie »Kenotaph« den großen österreichischen Staatspreis bekommen hat. Bitte um Aufführung der genannten Stücke, liebe steirische Symphonieorchester.

GP: Wie würdest du deine Musik – bzw. die Idealvorstellung davon – beschreiben? Was sollen deine Werke ausdrücken bzw. bewirken?

ChR: Ich ringe mir jedes Mal nur unter den größten Anstrengungen ein paar Worte Einführungstext zu meinen Stücken ab. Bitte lest es dort auf meiner Website nach. Noch besser: Hört euch die Stücke an. Meine Musik bewirkt nichts. Nichts als musikalische Erinnerungen – bestenfalls. Vielleicht machen solche Erinnerungen manche Menschen glücklicher oder verärgert. Das kann die Musik selbst nicht beeinflussen. Vielmehr könnte ich es durch gut gewählte Worte oder weniger treffende Worte beeinflussen, wie ihr über meine Musik denkt oder über mich urteilt und in weiterer Folge meine Musik sympathisch oder unsympathisch findet. Ich glaube an eure Freiheit im Denken und werde mich daher hüten.

GP: Hast du irgendwelche Vorlieben bei den Besetzungen, also z.B. für Klavier, Singstimme, Kammermusik, Orchester …

ChR: Tatsächlich habe ich hier klare Vorlieben: Glocken, möglichst große Gongs, Stabspiele, Celesta und Klavier. Kurzum, alles was teuer ist und man fast nie kriegen kann (besonders schön klingen übrigens Plattenglocken, da musste letztens das Brussels Philharmonic passen). Ich fühle mich pudelwohl mit großen Besetzungen, habe dafür eine ganz eigene Vorstellung mir entwickelt und Erfahrung und Kenntnisse im Bereich Instrumentation gesammelt, die es mittlerweile erlauben, eine Orchestrierung kongruent zu meinen Klandideen zu verwirklichen. Es hat dahingehend übrigens enorm geholfen ab und an eigene Werke zu dirigieren.

GP: Du hast ja bereits etliche Preise für dein kompositorisches Werk erhalten. Viele Wettbewerbe verlangen ja neue, unaufgeführte Stücke. Findest du das sinnvoll – oder wäre es nicht besser, einfach die besten Kompositionen zu suchen?

ChR: Hier denke ich sehr kaufmännisch: Wie viel gibt es zu gewinnen, wie groß ist der Aufwand und wie nachhaltig ist so ein Projekt. Ich unterstütze weder unmoralische Wettbewerbe durch meine künstlerische Arbeit noch jene Initiativen, die Stücke für irgendwelche absurden Besetzungen suchen, welche dann wohl bis zum St. Nimmerleins-Tag in der Versenkung verschwinden. Die besten Werke zu suchen sollte selbstverständlich sein, wir müssen uns aber nicht der Illusion aussetzen, dass alle Veranstalter_innen und Dramaturg_innen das stets einschätzen können. Neue Stücke zu programmieren wird als teuer und risikobehaftet vonseiten vieler Veranstalter_innen angesehen, deshalb will man es gewöhnlich mit möglichst viel Pomp vermarkten. Das ist schade, es könnte anders sein: In jedem Konzert ein weniger bekanntes Werk neu entdecken zu können würde mich als Vertreter des jungen, neugierigen und interessierten Publikums viel öfter ins Symphoniekonzert locken. Es müssten freilich gute Stücke sein, die es aber en masse gibt! Dazu braucht es 1) eine klare, nach außen getragene Vision seitens der Konzerthäuser 2) sehr gute und ständig wachsende Repertoirekenntnisse 3) Programmverantwortliche, die hie und da auch einmal in kleineren Konzerten mit Neuer Musik auftauchen um sich Punkt 2) zu widmen.

GP: Schreibst du manchmal auch extra ein Werk für so eine Gelegenheit – oder reichst du ein Stück einfach dafür ein, wenn es von der Besetzung oder den Vorgaben her passt?

ChR: Ich handle, wie beschrieben, dahingehend opportunistisch. Dieser Weg war bislang zumindest in mancherlei Hinsicht erfolgreich und verbunden mit exzellenten und vereinzelt auch schlechteren Aufführungen. Für einen meiner schönsten und prestigeträchtigsten Erfolge letzes Jahr beim 66. International Rostrum of Composers musste ich nichts tun, da Ö1 ohne mein Zutun mein Werk zu diesem Radiowettbewerb einreichte.

GP: Wie siehst du die Szene zeitgenössischer Musik heutzutage? Obwohl es einige Fortschritte in der Akzeptanz neuer Werke gibt, führt sie doch noch stets ein Randdasein … man muss sich ja nur die Nische „Zeitton“ im ORF/Ö1 um 23.03 h – nicht unbedingt zur populärsten Sendezeit – anschauen, neben der nur ausnahmsweise etwas passiert. Auch in den meisten Konzert- und Veranstaltungsreihen sind Werke lebender KomponistInnen die Ausnahme, Mozart, Beethoven, Brahms die Regel … und ein Ligeti bereits eine Seltenheit.

ChR: Die zeitgenössische Musik führt ein Randdasein, weil sie im symphonischen Betrieb quasi nicht vorkommt. Das irritiert. Gleichzeitig ist das Abspulen aller Beethoven-Symphonien rechtzeitig zum Beethoven-Jahr so selbstverständlich wie das Abspulen aller Beethoven-Symphonien in jedem anderen Jahr, das kein ganzzahliges Vielfaches von 1770 oder 1827 ist. Das irritiert. Um Richard Dünser aus einem im »Standard« abgedruckten Interview nachzureden: Warum eigentlich kein Ligeti-Jahr heuer? Das irritiert. Die beste Klavierliteratur, die großteils nach 1950 entstand (man bedenke nur, dass die Anzahl publizierter Werke eher exponentiell als linear wächst – und warum sollte die Kunst dabei grundsätzlich schlechter werden, es ist doch wie in anderen Disziplinen eher umgekehrt) steht nur ausnahmsweise auf den Programmzetteln von Studierenden-Klassenabenden. Das irritiert. Ensembles könnten sich durch geschickte vertragliche Aushandlungen mit Komponist_innen ein Repertoire an Stücken und Bearbeitungen zusammenstellen, das nur sie allein spielen dürfen und sich somit einen eklatanten Marktvorteil durch eine Monopolstellung sichern. Solche Überlegungen finden – bei jungen Leuten! – oft gar nicht statt. Das irritiert. Gleichzeitig üben viele Konzertfach-Absolvent_innen ihren Traumberuf nicht aus, weil sie nie gelernt haben, ein adäquates Geschäftsmodell für ihre selbständige Tätigkeit, die ihren individuellen Stärken angemessen ist, zu entwickeln und eventuell über den Tellerrand von Beethoven und Chopin und der sogenannten tonalen Musik im Allgemeinen hinaus zu blicken. Das irritiert. Man bemerke: Ich betrachte Neue Musik hier überall als möglichen Teil einer Lösung.

Den ORF und ganz besonders Ö1 sehe ich auf der Seite der Komponist_innen. Trotz Sparzwangs ist das Bekenntnis zur Neuen Musik beim Sender ein beachtliches und im internationalen Vergleich ist das Programm dahingehend sogar herausragend. Verbesserungswürdig finde ich hingegen die Kuratierung der RSO-Konzerte und die Vermarktung der Rundfunkproduktionen im Internet – letzteres wird allerdings noch durch ein nicht mehr zeitgemäßes ORF-Gesetz maßgeblich erschwert.

GP: Sollte es nicht möglich sein, in den meisten – auch traditionellen – Programmen mit gutem Willen wenigstens ein zeitgenössisches Werk zu spielen … mit minimal 20% der Konzertdauer?

ChR: Das ist eine Frage des politischen Willens im Sinne eines positiv zu wertenden, da unseren Standort als Kuturnation maßgeblich definierenden Patriotismus’: Eine Forderung, jene Konzerte, bei denen die Spielzeit von Werken tantiemenbezugsberechtigter AKM-Mitglider weniger als ein Fünftel der Gesamtspielzeit beträgt nicht durch öffentliche Mittel zu subventionieren, kann ich nur unterstützen.

GP: Als die Corona-Krise begann, mit heftigen Auswirkungen auf uns alle, habe ich mir gedacht: „Wenn der ORF jetzt seinen Anteil an Musik lebender Künstler deutlich erhöhen würde – nicht nur auf zeitgenössischem Gebiet, sondern auch in der U-Musik, z.B. auf Ö3 – dann wäre das eine wirkliche Hilfe. Ist aber nicht passiert.

ChR: Wir dürfen die Initiativen, die es gab nicht übersehen: Ö1 brachte eine ganze Reihe an Zeit-Ton Sendungen zur Unterstützung österreichischer Urheber_innen; zum Bereich der Popularmusik kann ich mich nicht äußern. Ich nehme an, dass eine so breite Unterstützung vonseiten der Radio- und Fernsehprogramme, dass alle Bezugsberechtigen zum Zug kämen, rechnerisch nicht möglich wäre bzw. in Anbetracht der Vielzahl an Musikschaffenden auch die Sendezeit nie und nimmer reichte. Institutionen wie AKM oder die SKE haben sehr engagiert, schnell und im Vergleich zu anderen Stellen unbürokratisch reagiert und Anträge abgewickelt – wie ich aus erster Hand weiß: Unter immensem persönlichen Einsatz.

GP: Wir sind jetzt beim aktuellen Thema … Was ist dir persönlich durch die Krise alles entgangen, abgesagt, verschoben worden?

ChR: Eine Aufführung beim Festival Flagey New Music Days im großen Rahmen in Brüssel, geplant für April, wurde ersatzlos gestrichen. Geplant ist hingegen, eine für Graz und Wien anberaumte Aufführung eines Liedwerks durch das Grazer Ensemble Zeitfluss nächstes Jahr nachzuholen. Viel schwerer wiegt der Umstand, dass das Sozialleben, das Networking und der Optimismus vom Radar verschwunden sind. An das erfolgreiche Jahr 2019 anzuknüpfen wird auch im kommenden Jahr nicht möglich sein.

GP: Oder hat es auch positive Auswirkungen gegeben? Der Unterricht an der Unversität mit home-office und online-Unterricht hat ja wesentlich mehr Zeit in Anspruch genommen, keinesfalls weniger (so zumindest mein Eindruck). Also eine Kreativschub habe zumindest ich dadurch nicht verspürt.

ChR: Dieses extrem gefährliche Virus hat zahllose Menschenleben gefordert. Darin kann ich absolut nichts Positives erkennen. Dem Unterricht im letzten Quartal hingegen durchaus, wenngleich mir der persönliche Kontakt zu den Studierenden wirklich fehlt, der konstruktive Diskurs und für mich selbstverständlich auch der Besuch von Konzerten der Studierenden. Nichtsdestotrotz haben wir im letzten Jahr viel gelernt und uns in aller Redlichkeit darum bemüht, die Studierenden bestmöglich zu betreuen. Es hat viel Zeit und Energie in Anspruch genommen, aber wir dürfen nicht vergessen, dass sich das Lehrangebot auch wesentlich weiterentwickelt hat und wir in den kommenden Jahren sowohl methodisch als auch im Hinblick auf elektronische Unterrichtsmaterialien etc. mehr und manches vielleicht sogar in besserer Qualität anbieten können.

GP: Gehen wir einmal davon aus, dass sich das Musik- und Konzertleben ab Herbst zumindest einigermaßen wieder auf die (wenn auch wahrscheinlich neue) Normalität einpendelt: was gibt es für Projekte in näherer und weiterer Zukunft?

ChR: Gehen wir lieber nicht davon aus. Dahingehend ist mein nächstes Großprojekt ordentlich php zu lernen und mich mit einigen JavaScript Libraries vertraut zu machen.

GP: Du bist auch als Dirigent bei eigenen Werken aktiv. Hast du da auch ein Studium absolviert, oder war der wichtigste Einfluss dafür der Kurs in Grafenegg bei Matthias Pintscher und Brad Lubman? Was bedeutet Dir dirigieren?

ChR: Dirigieren ist eine Möglichkeit, das eigene Werk genau so umzusetzen, wie man es haben will. Dieser Aspekt ist auch für die Musiker_innen meistens höchst interessant, auch weil man als Interpret_in gerne das Gefühl hat, ein Werk genau im Sinne des_der Komponist_in zu spielen. In Grafenegg ist das Tonkünstler-Orchester jedes Jahr mit großer Freude und großem Einsatz bei der Sache: Ich hatte den klaren Eindruck gewonnen, dass ein Projekt wie »Ink still wet« bei den Orchestermusiker_innen abwechslungsreich, beliebt und für sie spannend ist. Man arbeitet dort mit den besten: Mit den besten Dirigent_Innen für Neue Musik – die selbst zugleich auch renommierte Komponist_innen sind, mit einem wirklich exzellenten Symphonieorchester, das auch in der Lage ist, spieltechnische Herausforderungen routiniert und sauber umzusetzen, und mit hochinteressanten Teilnehmer_innen des Workshops aus aller Welt, deren Stücke die Kursleiter_innen ausgewählt haben.

Dirigieren bedeutet die 1:1-Erfahrung, wie eine kompositorische Idee im großen Ensemble aufgeht. Dazu braucht man die entsprechenden handwerklichen Fertigkeiten, viel wichtiger aber ist: eine akkurate Vorstellung des Stücks. Hier haben wir Komponist_innen bei unseren eigenen Werken natürlich einen immensen Startvorteil. Hinzu kommt, dass man probentechnisch sich enorm viel abschauen kann, wenn zB. Clement Power mit dem Klangforum das eigene Stück einstudiert oder Peter Keuschnig mit dem Ensemble Kontrapunkte.

GP: … und deine Tätigkeit als Pianist? Da spielst du ja nicht nur eigene Werke, sondern – daran erinnere ich mich gut – zB. auch einen Liederabend „Schubert lange Schatten“ in Weiz … Gibt es da weitere Vorhaben?

ChR: Nichts Konkretes. Soeben ist die Einspielung meines Klavierzyklus’ »XXI Orakel der Nacht« beim Label VMS auf CD erschienen. Aber ich bin Komponist, diese Tätigkeit lässt kaum Platz für andere große künstlerische Vorhaben, zumal mein Anspruch an die eigene Kunst stets der höchste ist. Ich spiele aber nach wie vor gerne und kehre immer wieder auf die Bühne zurück, da mir die direkte künstlerische Kommunikation mit dem Publikum großen Spaß macht und ich auch das Gefühl habe, dass es umgekehrt für die meisten Zuhörer_innen ein willkommenes Erlebnis ist und auch etwas Besonderes darstellt, wenn jemand seine eigene Musik authentisch und mit spürbarem Enthusiasmus darbietet. Zudem soll man niemals die Neugierde und die Abenteuerlust der Menschen unterschätzen. Als Komponist_innen wissen wir freilich, wie man sie stillen kann und zaubern immer wieder neue Stücke aus dem Hut.

GP: Du bist, wenn man deine Werkliste betrachtet, ein fleißiger Komponist. Wie ist deine Arbeitsweise? Komponierst du eher auf Auftrag oder für bestimmte Gelegenheiten – oder einfach, wenn du gewisse Ideen hast?

Ein einziges Stück entstand bislang im Rahmen eines Kompositionsauftrags. Ein Auftragswerk zeichnet sich nämlich dadurch aus, dass ein Auftraggeber dafür bezahlt, dass dieses Werk entsteht. Einige Werke entstanden im Rahmen einer öffentlichen Förderung (Staatsstipendium, Arbeitsstipendium, SKE-Förderung). Ideen zu neuen Werken habe ich immer, aber ich wiege genau ab: Wird es aufgeführt? Ist es wieder- oder weiterverwertbar (beispielsweise orchestrierbar)? Könnte ich selbst eine Aufführung organisieren bzw. das Stück spielen? Würde es aufgenommen bzw. auf Tonträger eingespielt? Wer würde es spielen? Wo würde es uraufgeführt werden? Würde es eventuell gesendet?

GP: Bist du ein langsamer oder schneller Arbeiter? Passieren hinterher, also nach Abschluss eines Werkes, noch viele Korrekturen – oder ist ein Stück quasi fertig, wenn du beim Doppelstrich angelangt bist?

ChR: Ein Stück ist nie ganz fertig, allein, weil sich die eigene Vorstellung verändert. Älter wird man auch. Einige Stücke überarbeite ich zu gänzlich neuen Stücken mit neuer Besetzung, neuen Formteilen etc.. Boulez ist manchmal ähnlich verfahren, aber weder will ich es verallgemeinern, noch mir hier irgendein Vorbild suchen: Angestrebt muss immer die höchste Qualität werden; weder das Verwursten, noch übereifriges Hudeln, noch sonstwelche künstlerischen Abstriche sind zielführend. Wenn ein Stück nichts taugt, wird es verworfen.

GP: Du scheinst auch einige Anregungen aus der Literatur zu bekommen – oder irre ich mich?

ChR: Wie man eingangs dem Interview entnehmen kann, muss mein literarischer Geschmack prinzipiell in Zweifel gezogen werden. Als anregend empfinde ich zur Zeit das Buch: »Der letzte Mann, der alles wusste« von John Glassie und ein damit verbundenes Werk Umberto Ecos, nämlich »Die Insel des vorigen Tages«. Ob das musikalisch noch zu etwas führen wird, steht in den Sternen, aber beide Bücher sind mir äußerst anregend.

GP: Bei welchem Musikstück (oder bei mehreren) denkst du dir: „So etwas möchte ich auch komponieren können!“

ChR: Ich nehme für mich in Anspruch professionell zu arbeiten. Das bedeutet insbesondere, dass ich das, was ich komponieren möchte zu Papier bringen kann.

GP: Bedienst du dich bei der Verbreitung/Bewerbung deiner Musik auch der neuen Medien (wie facebook, youtube, instagram etc.) – und wie siehst du die Möglichkeiten? Positiv, negativ? Musik scheint ja immer selbstverständlicher „gratis“ und immer verfügbar zu werden … nur die Urheber haben meist nichts davon.

ChR: Facebook macht mir manchmal Spaß und zugleich hadere ich mit einigen Aspekten dieser Plattform. Nun, wer nicht. Mit dem Widerspruch aus Likeblase und Hassoase müssen wir wohl umgehen. Leider ist die Musikwelt und dazu zählt auch die kleine Welt der Neuen Musik (selbsternannte Avantgarde eingeschlossen) eine durch und durch konservative, die es nicht verstand, bis heute, die neuen Medien zur Vermarktung ihrer Interessen kosteneffizient zu nützen. Dies hat vielfältige Ursachen, auf die ich hier nicht näher eingehen kann. Fakt ist, die Softwareunternehmen haben es beispielsweise geschafft, ihre Produkte trotz open source Kultur höchst profitabel zu vertreiben, etwa durch Abo-Modelle. Ich glaube, wir können es noch besser machen.

GP: Herzlichen Dank! Wir freuen uns auf deinen Auftritt beim „Selfies“-Konzert am 18. Oktober.

Link: Publikationen des Steirischen Tonkünstlerbunds

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Radio Interview in Ö1 Zeit-Ton

Radio Interview in Ö1 Zeit-Ton

New pieces for the piano by Richard Düner, Gianluca Iadema and Christoph Renhart have recently been released on CD by the label VMS. The radio station Ö1 presented the new compositions in their programme “Zeit-Ton” on Wednesday past (August 26, 2020). Presentator Rainer Elstner spoke with me about the works. You can listen to the interview and to extracts of the new CD here:

Link to the radio broadcast

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XXI Orakel der Nacht in Graz

XXI Orakel der Nacht in Graz

Looking ahead optimistically, there is a somewhat good chance of performing the first book of my work “XXI Oracles Of The Night” for piano solo on October 18th in Graz. This concert—originally scheduled for April—will feature works of Styrian composers played by themselves. Meanwhile the second book of this 21-part-cycle is in the making and will feature again lots of new and unexpected sounds for the piano (and some instruments extending it) and unconventional techniques for the player. Stay tuned (-;